Hoheliedvertonung von der Gregorianik bis zur Gegenwart

 

 

Gregorianischer Choral

 

Quam pulchra es

J. Dunstable

 

Quam pulchra es

( 1380 -1453)

 

 

A. Agricola

 

Belle sur toutes / Tota pulchra es

(1446-1506)

 

 

M. Duruflé

 

Tota pulchra es

(1902-1986)

 

 

A. Bruckner

 

Antiphon : Tota pulchra es

(1824-1896)

 

 

D. Antalffy-Zsiross

 

Virágének - Minnesang

(1885-1945)

 

 


H. Purcell

 

Anthem: My Beloved Spake

(1659-1695)

 

 

O. di Lasso

 

Veni, dilecte – Videamus

(1532-1594)

 

 

M. Franck

 

Fünf Hohelied-Motetten

(1580-1639)

 

 

H. Purcell

 

Fantasie: My Beloved Was Gone

(1659-1695)

 

 

W. Byrd

 

O Mistris Myne

(1562-1628)

 

 

J. Baur

(*1918)

 

Die Blume des Scharon –

Drei lyrische Motetten nach Texten aus dem Hohelied

 

 

 

 

 

 

Ausführende

 

forum vocale köln,

Chor und Solisten

 

 

Michael Führer, Orgel

 

 

 

Leitung

 

Georg Bours

 

Hoheliedvertonungen von der Gregorianik bis zur Gegenwart

„Die herrlichste Sammlung Liebeslieder, die Gott erschaffen hat“, hat Goethe das Hohelied des Salomonis genannt. In Liedern und Wechselreden geben zwei Liebende, Mann und Frau, ihrer leidenschaftlichen Liebe zartesten Ausdruck. Sie preisen und beschwören sich, suchen und finden einander, sehnen und vereinigen sich.

Dass uns diese kostbare Dichtung überliefert wurde, verdanken wir wohl ihrer Zuschreibung an den legendären König Salomo und ihrer späteren Aufnahme in den Kanon der Schrift. Zugleich erklärt sich hieraus die lange Zeit gültige Vorrangstellung von religiös-allegorischen Deutungen des Hohenliedes. Nach jüdischem Verständnis spiegelt sich in der Liebe zwischen Mann und Frau die Beziehung Jahwes zum auserwählten Volk Israel, die christliche Auslegung überträgt diesen Ansatz auf die Beziehung zwischen Christus und Kirche bzw. der gläubigen Seele.

Nun ist die Sprache des „Canticum Canticorum“ von so unbefangener Sinnlichkeit, dass die alte Streitfrage, ob es sich um weltliche oder geistliche Dichtung handelt, heute als überholt gelten darf. Das Hohelied versteht Liebe als etwas Ganzheitliches. Sie ist zugleich göttliches Geschenk und sexuelles Verlangen, personale Beziehung und leibliches Genießen, von reiner Einfalt und sinnenhafter Trunkenheit. Diese Dichtung kennt keinen Widerspruch zwischen sittlichem Gehalt und sinnlicher Glut. Peinlich kann es allenfalls werden, wenn erotische Bezüge angestrengt übersehen werden.

Die Natur dient als Szenerie und als unerschöpflicher Quell der sprachlichen Bilder. Die Grenzen zwischen konkreter Beschreibung und Metaphorik verlaufen fließend. Dies zeigt z.B. das Bildfeld Wein: „Früh gehen wir aus zum Weinberg, zu sehen, ob der Rebstock treibt...“, „Ins Weinhaus hat er mich geführt...“ „wie Trauben deine Brüste“, „Man hat mich zur Hüterin der Weinberg gesetzt, aber meinen Weinberg, den ich hatte, hab ich nit behütet“, „Fahet uns die kleinen Füchslein, die die Weinberg verderben, denn unsere Weinberg haben Augen gewonnen“.

Neben dem dialogischen Charakter hat gerade dieser Bilderreichtum zu allen Zeiten Komponisten fasziniert. Jenseits aller Kontroversen der Exegeten, Literaturforscher, Theologen und Philosophen verweist die kaum überschaubare Zahl der Vertonungen von der Gregorianik bis zur Gegenwart auf eine wesentliche Bestimmung des Hohenliedes der Liebe, dass es nämlich ursprünglich gesungen wurde.

                                                                                  Peter Henn