Neuß-Grevenbroicher Zeitung, Dienstag, 29. Juni 2004 S.C5

Vorbehaltlos hingegeben

NEUSS (WK) Der Name des Organisten Alexander Fiseisky mag einigen Leu­ten noch in vager Erinnerung sein, hatte er im doch im Bachjahr 2000 in Düsseldorf-Gerresheim für Aufsehen gesorgt, als er das komplette Orgelwerk Bachs interpretierte - in einem 18-stündigen Konzert. Ganz so sportlich ging es in der Dreikönigenkirche nicht zu, aber eine beeindruckende Kost­probe seines Bachspiels gab es gleich zu Beginn: Toccata, Adagio und Fuge C-Dur wiesen den Moskauer als be­herrschten und geschmackvollen Musiker aus.

Absolute Beherrschung des Passa­genspiels, schlichte, aber um so zwin­gendere Phrasierung und Durchsich­tigkeit in der von Hall und Klangvolu­men eingenebelten Polyphonie zeich­neten sein Spiel aus. Mit schlichter, leiser Intensität spielte er noch Bachs gebetsartiges und zutiefst lyrisches „Allein Gott in der Höh‘ sei Ehr“, be­vor er sich dem Romantiker Mendels­sohn-Bartholdy widmete.

Entgegen der im Programm ange­kündigten Sonate spielte Fiseisky ei­nen Choral mit Variationen und ein Allegro in D-Dur, beides geschmack-voll und unaufgeregt. Für Orgelfreun­de besonders interessant geriet der Rest des Programmes, denn hier führ­te Fiseisky weniger bekannte, aber sehr hörenswerte russische Kompo­nisten der Früh- bis Spätromantik ein.

Mit Ausnahme des estnischen Ru­dolf Tobias, dessen naiv-schönes „Largo“ zu hören war, stammen alle Komponisten aus der ehemaligen russischen Musikmetropole St. Pe­tersburg, der die jetzige Hauptstadt Moskau erst später den Rang ablau­fen konnte.

Constantin Homiius‘ Präludium G-Dur verband Spielfreude mit rus­sisch-phantasievoller Harmonik; Fi­seisky verstand es, mit Pianissimo-Registern klangliche Intimität herzu­stellen und Abwechslung zu schaffen. Wladimir Odojewskijs „Gebet ohne Worte“ wurde seinem Titel vollauf ge­recht. Schlicht, leise und eindringlich erklang das Werk des Petersburgers, der sich auch literarisch und politisch in der russischen Kulturszene enga­gierte.

 

So manches Mal war die Vorstellungskraft des Zuschauers gefordert

 

Das letzte Werk des Pro­gramms stammte von dem einzig prominenten Russen, den Fiseisky vorstellte: Alexander Glasunow. Der Spätromantiker, dem die moderne Harmonik Skrjabins und Rachmani­novs Sentimentalität anzuhören sind, lotete mit seiner Fantasie op. 110 die Grenzen der Orgel aus.

Das beinahe pianistisch angelegte Werk schien die Möglichkeiten der Orgel mitunter zu überfordern. Dort, wo man Crescendi erwartete, blieb die Orgel - naturgemäß - auf einem dynamischen Level, und so war man­ches Mal die Vorstellungsgabe der Zu­hörerschaft gefordert, sich Andeutun­gen zu begnügen.

Fiseisky gab sich dieser Klang- und Ideenfülle vorbehaltlos hin und been­dete das Konzert, das schlicht und konzentriert begann, mit großer Ges­te und erntete ehrlichen und begeis­terten Beifall des spärlich erschiene­nen Publikums.