Neuß-Grevenbroicher Zeitung, Dienstag, 7. Januar 2003 S.19

 

Konzert mit Manfred Wordtmann und Hans-André Stamm in Dreikönigen

 

Die Harmonie zweier Musikwelten

Neuss. Ein in zweifacher Hinsicht ungewöhnliches Konzert erlebten die Zuhörer in der Dreikönigenkirche. Zum einen wegen der Instrumentenkombination von Saxophon und Orgel; zum anderen wegen des Programms. Zwei Instrumente, wie sie un­terschiedlicher nicht sein könnten: das eher im Jazz angesiedelte, weltliche Saxophon traf das überwiegend sakrale Instrument Orgel: Ein Aufeinanderprallen zweier Welten? Auf den ersten Blick scheint es so, aber dass die beiden Instrumente doch ganz gut miteinander harmonieren, bewiesen Manfred Wortmann, Komponist, Verleger und Dozent an der Uni Münster und Hans André Stamm, Orgelvirtuose und ebenfalls Komponist, dem Publikum auf eine drucksvolle Weise.

Ungewöhnlich war aber auch das Programm mit Werken von Debussy, Vierne, Franck sowie der beiden Solisten. Der Abend begann mit dem Menuett aus der „Petit suite“ von Claude Debussy, welches von Stamm für Saxophon und Orgel bearbeitet worden war. Obwohl interessant gestaltet, klang das Stück zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, denn durch Wordtmanns Saxophonspiel hatte man den Eindruck, es würde etwas zu „jazzig“ werden. Aber dank eines dezenten Spiels stellte sich Wordtmann zu keinem Zeitpunkt in den Vordergrund.

Dass die beiden Solisten auch kompositorische Qualitäten haben, bewiesen sie mit einigen eigenen Werken. Die „Trois mouvements“ für Saxophon und Orgel von Wordtmann sind relativ kurze Stücke mit sakralen Titeln. Das Antiphon klingt ruhig und meditativ, die Psalmodie zeichnet sich durch ab­wechselnd rezitativische Saxophonein­würfe und virtuose Orgelbe­gleitung aus. Die abschließende Nostalgie ist ein verspielt-tänzerischer Satz. Interessant wurden die Stücke vor allem durch die Registerwechsel und die vitalen Orgelpassagen. Wordtmanns „Hommage à Bach“ erlangt ihre Schönheit durch die de­zente Orgelbegleitung in durchweg Bach‘scher Harmonik, gepaart mit einer ruhig-fließenden Melodiestimme im Soloinstru­ment.

Mit Viernes „Carillon de Westminster“, einer spieltechnisch und künstlerisch höchst anspruchsvollen Verarbeitung des be­rühmten Londoner Big-Ben Motives, trat Stamm als Solist hervor. Dabei bewies er stets technische Sicherheit und gestaltete das Stück sehr interessant durch außergewöhnliche Klangfarben auf der Orgel. Reizend auch seine Transkription des „Poco lento“-Satzes aus Cesar Francks Streichquartett. Für jedes Instrument der Originalfassung wählte er unterschiedliche Orgel­klänge aus, so dass die Stimmen stets transparent und gut herausgearbeitet waren. In einer interessant gestalteten, leicht jaz­zig angehauchten Improvisation mit virtuosen Passagen, die er scheinbar mühelos bewältigte, bewies auch Wordtmann, dass er ebene falls das freie (Solo-)Spiel beherrscht.

Am beeindruckendsten jedoch waren die Kompositionen von Hans-André Stamm. Seine zweite Orgelsuite zeichnet sich durch eingängige Melodik aus. Die drei Sätze sind von unterschiedlichem Charakter, Dem barock klingenden Präludium folgte eine ruhige Meditation mit interessanten Schwebeklängen, worüber sich eine schöne Melodie erstreckt. Die abschlie­ßende Toccata ist dramatisch gehalten und mündet in einen pompösen Schluss, Langer Applaus eines begeisterten Publikums. Gerion Vieten