Neuß-Grevenbroicher Zeitung, Montag, 16. Juni 2003 S.22

Konzert der „Capella piccola“ in der Dreikönigenkirche

Mitreißende Hymnen aus englischen Kirchen

Neuss. Zu stimmungsvoller großer chorischer Abendmusik mit der „Capel­la piccola“ Neuss hatte die Dreiköni­genpfarrei eingela­den. „Musik aus eng­lischen Kathedralen“ waren zu einem abwechslungs­reichen Programm zu­sammengestellt. Der erste Teil war ge­wissermaßen den Anfängen der madri­galen Mehrstimmigkeit gewidmet, in den Dreikönigenkantor Michael Füh­rer (Orgel) mit „In nomine“ von John Bull und großem Renaissance-Dulzian einführte. Die „Capella“ stand zu­nächst vor dem Hochaltar im Ostchor der Kirche und machte mit einigen Mo­tetten alter britischer Meister deutlich, dass der 1985 in Neuss gegründete Chor nichts an jugendlicher Frische und vollendeter Klangschönheit einge­büßt hat.

   In nahezu perfekter Ausgeglichen­heit harmonieren die Stimmen mitei­nander, auch die jungen Tenöre und Bässe integrieren sich in die 25-köpfige Singgemeinschaft lyrisch-wunderbar. Dazu verfügt der Chor über sichere So­listen, die im „Nunc dimittis“ von Hen­ry Purcell im Wechsel mit dem Tutti sangen. Lediglich der alles überragen­de Sopran von Martina Lins verließ ei­nige Male zu markant und damit stö­rend den homogenen Chorklang, be­sonders auffällig bei William Byrd‘s „Ave verum“. Gleichwohl: Mar­tina Lins ist als begabte und längst erfolgreiche Sopranistin nicht nur dem Neusser Pu­blikum be­kannt. Sie bereicherte mit ih­rer umfangreichen, vor allem in den Höhen prächtigen Stimme das Pro­gramm mit zwei Solo-Anthems, darun­ter „O for the wings of a dove“ von Felix Mendelssohn Bartholdy, an der Orgel begleitet von Thomas Reuber, dem Gründer und künstlerischen Leiter der „Capella piccola“.

    Der engagierte Kölner Kirchenmusi­ker hatte für den zweiten Teil aus­nahmslos Werke gewählt, die heute feste Teile des Kathe­dralen-Reper­toires in England sind. Englische li­turgische Musik der letzten hundert Jahre ist überwiegend für Chor und Or­gel an­gelegt, als hymnisch, melodisch schlichte Vertonungen von Psalmen oder Texten des „Prayer Book“. Tho­mas Reuber führte den Chor - nun auf der Orgelempore - mit großem Gestus zu etlichen raumgreifenden Höhe­punkten. An der Orgel beglei­tete Mi­chael Führer sicher mit mannigfalti­gen Registerfarben. Im Zusammenklang mit dem Chor entstanden so ab­wechs­lungsreiche Kirchen­hymnen, und so mancher Besucher hätte gerne „O come, let us sing“ von Antonio Picco­lo wörtlich genommen.

    Bei mehreren Werken steht ein Solosopran in Einleitung oder Oberstimme über dem Chor. Hier war Martina Lins‘ strahlen­der Sopran von unschätzba­rem Wert, vor allem in der gewaltigen Schlusskolora­tur bei „My shepherd is Lord“ von H. Oxley. Nahezu zwangs­läufig gipfelte diese mitreißende Abend­musik in der „Evening Hymn“ des Meisters großer Chorlieder, Sir Henry Balfour Gardiner. Ein grandio­ser Schlusspunkt. Dennoch hätten die Zuhörer gerne eine Zugabe gehabt - die aber gab es nicht. Nima