Neuss. Die aufwendigen Arbeiten, die mit Sanierung, Ausbau und Neuintonation der Walcker/Klais-Orgel in der Neusser Dreikönigenkirche verbunden waren, haben zu einem originellen und hochinteressanten Instrument geführt, dessen Vielseitigkeit und Klang eine enorme Bereicherung in der rheinischen Orgellandschaft darstellt. Das gilt nicht nur für die Gottesdienstgestaltung, sondern vielmehr für konzertante Feierstunden. Jetzt war Craig Cramer, Orgelprofessor an der Indiana-University of Notre Dame (USA) zu Gast in Heilige Dreikönige — und er war von dem Instrument begeistert.
Zur Einführung spielte er volltönend auf mit einer mächtigen „Fanfare“ von John Cook (1918-1984), der diesem Stück einen Psalmvers vorangestellt hatte: „Jauchzet Gott zu, unserer Kraft!“. Bei abwechslungsreicher Disposition standen auch im ruhigen Mittelteil Cornett, Clairon und Trompete im Vordergrund. Lyrisch-liedhaft gestaltete Cramer zwei Choralbearbeitungen von der „größten britischen Komponistin“ Ethel Smyth (1858-1944), die vor allem in Präludium und Fuge über „0 Traurigkeit, o Herzeleid“ eine nahezu meditative Seite von sich zeigte. Möglich, dass sie diese Musik im Gefängnis schrieb, denn die vor allem durch ihre Opern und den „March of the women“ bekannte Feministin saß dort öfter ein, weil sie zum Beispiel einem britischen Minister die Fensterscheiben einwarf.
Das war auch das Reizvolle an Craig Cramer‘s Konzert in Dreikönige, dass er überwiegend Werke vorstellte, die man noch nicht gehört hatte. So zum Beispiel eine Suite über „Puer natus est“ (1999) des in New Orleans lebenden Organisten Joel Martinson, der in vier abwechslungsreichen Sätzen dem immer durchklingenden Weihnachtschoral sphärische Atmosphäre oder im Schluss-Gloria strahlenden Glanz verleiht. Oder die Variationen über eine „Shape-note Hymn“ des vor allem in unseren Konzertsälen bekannten Amerikaners Samuel Barber (1910-1981). Obwohl erst relativ spät geschrieben (1958), bedient Barber sich der Formulierungen und Tonalität des 19. Jahrhunderts, die Hymne kommt ganz verhalten daher.
Dass Craig Cramer aber auch die Literatur der europäischen Meister ganz sicher beherrscht, dokumentierte er mit Johann Sebastian Bachs „Fantasie und Fuge g-moll“ zur Programmmitte und zum Ende mit Felix Mendelssohn Bartholdys großer „Sonate 1 f-moll“. Wunderbar übergangslos gelangen Cramer die choralartigen Einschübe „Was mein Gott will“ in deutlich abgesetzter Registrierung, und die vielen Läufe, gebrochenen Akkorde und Arpeggien des letzten „Allegro assai“ beherrschte er in virtuoser Manier. Dem nachhaltigen Beifall der Zuhörer schloss sich Cramer in einer bemerkenswerten Geste an: Er applaudierte den beiden Orgelprospekthälften mit ihren über 3000 Pfeifen. Warum er dann aber als Zugabe ein karges, wenig galantes Stückchen von Christian Heinrich Rinck (1770-1846) wählte, blieb rätselhaft ... Nima